Interessante Entscheidung des OLG Düsseldorf (12. Zivilsenat) vom 20.07.2021 – 12 W 7/21:
Die amtlichen Leitsätze bzw. Kernaussagen der Entscheidung lauten:
1.Bei einem Start-Up Unternehmen sind die Grundsätze, die der Bundesgerichtshof für eine positive Fortbestehensprognose im Rahmen der Überschuldungsprüfung aufgestellt hat (vgl. BGH, Urt. v. 23.01.2018 – II ZR 246/15, NZI 2018, 407, 408 f., Rn. 23), nicht uneingeschränkt anwendbar.
2. Erforderlich ist, dass das Unternehmen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht in der Lage ist, seine im Prognosezeitraum fälligen Zahlungsverpflichtungen zu decken, wobei die dafür erforderlichen Mittel auch von Dritten (Fremdkapitalgeber oder Eigentümer) zur Verfügung gestellt werden können.
3. Hat ein finanzkräftiger Investor das Unternehmen bereits in der Vergangenheit mit erheblichen Beträgen finanziell unterstützt und seinen Willen bekundet, in der Gründungsphase bei Vorlage einer nachvollziehbaren Planung und Nachweis des Finanzbedarfs jeweils weitere Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, darf der Geschäftsführer von einer positiven Prognose ausgehen, solange ein nachvollziehbares operatives Konzept vorliegt, das irgendwann eine Ertragsfähigkeit des Unternehmens erwarten lässt und nicht konkret wahrscheinlich ist, dass der Finanzier das Start-up Unternehmen nicht weiterfinanzieren wird. Ein rechtlich gesicherter und damit einklagbarer Anspruch auf die Finanzierungsbeiträge ist für die positive Fortbestehensprognose nicht erforderlich.
Die o.g. Entscheidung modifiziert den insolvenzrechtlichen Überschuldungsbegriff für Start-up Unternehmen. Die Anforderungen an eine positive Fortbestehensprognose werden gesenkt. Dies ist nach unserer Auffassung aber auch sachlich gerechtfertigt. Denn gerade Startup-Unternehmen weisen in der Anfangsphase eine Überschuldung auf, da sie in der Regel anfangs Verluste realisieren. Dennoch sind die operativen Geschäftschancen eines Startup-Unternehmens nicht zu unterschätzen und der Aufbau einer erheblichen Ertragskraft – nach Überwindung der schwierigen Anfangsphase eines Startup-Unternehmens – nicht unwahrscheinlich. Auch ist es sinnvoll, die Finanziers in den Fokus zu rückeen und zu hinterfragen, ob und in welcher Höhe (Fremd-)Kapital zur Verfügung gestellt werden kann.
Ist danach ein Fortbestehen mehr als Wahrscheinlich (größer 50%), ist es gut vertretbar, dem Start-Up eine positive Fortbestehensprognose zu bescheinigen.
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